ECKART 2020 – GROSSE KOCH-KUNST

PIERRE GAGNAIRE & JOHANNES NUDING

Pierre Gagnaire hat die Küche neu interpretiert.


Der am 9. April 1950 in Apinac, Frankreich, geborene Pierre Gagnaire ist einer der kreativsten, originellsten und verrücktesten Spitzenköche der Gegenwart.
Gagnaires Vater Jean-Claude Gagnaire betrieb in Saint-Priest-en-Jarez bei Saint- Étienne das Café und Restaurant „Le Clos Fleuri“. Pierre arbeitet dort als Konditor und belegte 1964 einen Kurs in der Pâtisserie Nelson in Saint-Étienne. 1965 nimmt er an einem Sommerpraktikum bei Paul Bocuse teil und beginnt anschließend eine Ausbildung bei Raoul Desprez im Restaurant „Chez Juliette“ in Lyon. Danach wird er Commis de Cuisine im Restaurant „Tante Alice“ in Lyon. 1970 arbeitet Gagnaire während seines Wehrdienstes als Cuisinier-Admiral (Chefkoch) in der Offizierskombüse auf dem ehemaligen französischen Zerstörer „Surcouf“. Es folgen weitere Stationen, so 1973 in Paris als Chef de Partie im „Hotel Intercontinental“ und bei Alain Senderens im „Lucas Carton“. Nach einer zweijährigen Reise mit seiner damaligen Frau Gabrielle quer durch Amerika kehrt er 1976 in das Restaurant seines Vaters zurück. Dort entwickelt er seinen eigenen Stil mit einer von heimischen Produkten geprägten Küche.
Seine futuristischen Visionen passen in kein Schema. Oft wird er für seine umwerfenden Kombinationen bewundert, nicht selten lösen sie Kontroversen aus, aber niemanden lassen sie gleichgültig. „Kochen,“ sagt Pierre Gagnaire, „wird nicht gemessen an Tradition oder der Moderne. Man muss darin die Zärtlichkeit des Kochs lesen.“
Zwar basiert seine Küche auf der Tradition, aber schon früh entwickelt er seine eigene Handschrift mit sich hemmungslos widersprechenden Geschmacksrichtungen, Texturen und Zutaten. In seinem 1981 eröffneten Restaurant in Saint-Étienne, das 1994 mit drei Sternen ausgezeichnet wird, erkocht er sich einen Weltruf. Dabei verausgabt er sich in jeder Hinsicht. Ende 1996 unternimmt Gagnaire einen Neustart in Paris, erlebt einen fulminanten Aufstieg und heute tragen über 20 Restaurants in acht Ländern seinen Namen, darunter mit drei Michelin Sternen das „Pierre Gagnaire“ in Paris und das Restaurant „The Lecture Room & Library“ im „sketch “ in London.

Millicent Fawcett Room


Pierre Gagnaire bietet Große Koch-Kunst auf allerhöchstem Niveau – „er hat,“ so die Jury in ihrer Begründung, „die Küche neu interpretiert.“ 

Dass Spitzenköche entgegen des Klischees auch hervorragende Teamplayer sind, belegt die ungewöhnliche Partnerschaft mit Johannes Nuding. 

Johannes Nuding – die Handschrift der nächsten Generation

Der aus Tirol stammende Johannes Nuding ist einer der großen Könner unserer Zeit. Nach seiner Ausbildung an der Hoteliersschule Villa Blanka in Österreich arbeitet er in einfachen Küchen in den Alpen, bevor es ihn 2006 nach Paris zieht. Er arbeitet zunächst in Joël Robuchon‘s 2-Sterne-Restaurant „La table“, bevor er zu Pierre Gagnaire wechselt. In dessen Restaurant arbeitete er drei Jahre, bis Gagnaire dem 25-Jährigen den Chefkochposten im „Les Menu“ in Moskau anbietet. Dort beginnen sie gemeinsam Menüs zu entwickeln.
2014 holt ihn Gagnaire nach London und er bekommt eine „Carte blanche“, um das Restaurant im „sketch“ weiter zu entwickeln. Das gelingt ihm mit Bravour und er führt das Restaurant auf ein neues Niveau. Dabei entwickelt Nuding die französische Küche weiter und integriert gekonnt regionale Elemente aus seiner österreichischen Heimat. „Wir haben zu Hause immer gut gegessen“, erzählt Nuding. „Meine Großmutter war eine erstaunliche Köchin. Wir hatten nichts Ausgefallenes, keine Trüffel oder Gänseleber. Es waren die einfachen Dinge, die sie mit Liebe kochte. Wir hatten einen riesigen Garten hinter dem Haus mit Radieschen, Bohnen und Blumenkohl. Meine Mutter ging hinaus und pflückte das Gemüse. Sie kochte für das Mittagessen und wir setzten uns eine Stunde lang hin. Dann aßen wir zusammen zu Abend. Wir setzten uns immer zum Frühstück, Mittag- und Abendessen hin. Es gab kein Fernsehen, kein Telefon, es war eine Zeit, in der wir aßen und die Gesellschaft der anderen genießen konnten.“ Diese Haltung prägt Johannes Nuding‘s Küche. Sie konzentriert sich auf die Grundlagen. 2019 wird er für seine Kreationen mit drei Michelin Sternen ausgezeichnet – als erster österreichischer Koch seit Eckart Witzigmann. 

„Gagnaire und Nuding,“ so die Jury, „bieten ihren Gästen ein extravagantes, luxuriöses, skurriles und theatralisches Erlebnis, das alle Sinne anspricht. Die Teamarbeit der beiden sensiblen Individualisten ist ein einmaliger Ausnahmefall: sie verleiht der Kochkunst neue, zukunftsweisende Impulse und kreiert eine unvergleichliche Erfahrung.“