PREISTRÄGER 2014

2014

Die Texte zu den Preisträgern beziehen sich auf den Zeitpunkt der Auszeichnung.

INNOVATION  

Shuzo Kishida: ***“Das Wichtigste beim Kochen ist die Ehrlichkeit.

Shuzo Kishida ist ein sanfter Revolutionär. 1974 geboren, lernte er in hoch renommierten französischen Restaurants in Japan, um seine Laufbahn ab dem Jahr 2000 in Frankreich fortzusetzen. Sein Weg führte ihn dort zu mehreren absoluten Spitzenköchen. Ab 2003 arbeitete er im berühmten „L’Astrance“ in Paris, wo er schon ein Jahr später zum Sous-Chef aufrückte. 2005 kehrte Kishida nach Tokio zurück, wo er seit 2006 im Restaurant Quintessence wirkt und 2008 als seinerzeit jüngster Sternekoch weltweit mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet wurde.

Auf den ersten Blick erscheinen seine Kreationen vertraut wie sein Credo:
– Respekt vor dem Lebensmittel
– Exakte Verfolgung der Garprozesse
– höchste Genauigkeit beim Würzen.

Beim Essen entfaltet sich dann die revolutionäre Kraft seiner Kunst. Kishida schafft kulinarische Harmonie mit geradezu poetischem Ausdruck, indem er die Reinheit der japanischen Küche mit der Finesse der französischen verbindet und so besten Lebensmitteln zu perfekter Geltung verhilft. Das Resultat ist die gegenwärtig innovativste Fusion zweier traditionsreicher Koch-Kulturen, die „Quintessenz“ ihrer kulinarischen Ideen und Philosophien.

Das Thema Harmonie wird in Kishidas Restaurant Quintessence mit der Weinbegleitung sogar noch um ein Element erweitert. Die Weinkultur Europas genießt in Japan großes Ansehen, führt aber ein Parallelleben zur traditionell orientierten Hochküche. Kishida gelingt es mit seiner Kochkunst auch, Wein und seine große Historie in einem völlig neuen Kontext auf höchstmöglichem Niveau zu würdigen.

GROSSE KOCH-KUNST

Heinz Reitbauer der Ältere: „Alles zu seiner Zeit. Nicht alles zu jeder Zeit.“ Heinz Reitbauer der Jüngere: „Ich will die Welt positiv verändern.“

Heinz Reitbauer, Jahrgang 1941, ist ein Radikaler im positiven Sinn. Er war radikal in seinen Ansprüchen, als er 1970 ein kleines Ecklokal übernahm und zunächst zu einem gutbürgerlichen Gasthaus, dann zu einem Restaurant von Weltrang machte. Mit größtmöglichem Einsatz von Leidenschaft und Ressourcen. Das eingenommene Geld der ersten Jahre nutzten Reitbauer und seine Frau Margarethe für kulinarische Bildungsreisen nach Frankreich, auch Mitarbeiter wurden regelmäßig ins Land der Vorbilder geschickt. Die Mühen zahlten sich aus – das Haus wurde 1992 als bestes Restaurant Österreichs bewertet.

Doch seine steirischen Wurzeln hat Heinz Reitbauer dabei nie vergessen und eröffnete zusätzlich 1996 am Pogusch, einem abgelegenen Alpenpass in der Obersteiermark, das Steirereck am Pogusch. Das Wirtshaus entwickelte sich in kürzester Zeit zu einem Zentrum unverfälschten Genusses und beeinflusst bis heute die Gastronomie in der ganzen Steiermark und darüber hinaus. Es gilt derzeit als bestes Almwirtshaus der Welt. Radikal regional, aber mit klarem Blick über den Tellerrand. Auf die massiven Tische kommt hier das Beste aus der Umgebung: selbst geschlachtetes Almkalb von Kopf bis Fuß, Wild, Süßwasserfisch – einfach, natürlich und schlüssig zubereitet; serviert mit ebenso bodenständiger wie herzlich-aufmerksamer Gastlichkeit.

2005 übersiedelte das Restaurant Steirereck in die ehemalige Meierei (Molkerei) im Wiener Stadtpark und Heinz Reitbauer junior, der bis dahin am Pogusch gekocht hatte, übernahm die Position des Küchenchefs. Heinz Reitbauer senior und Margarethe führen seither das Wirtshaus in der Steiermark.Heinz Reitbauer, Jahrgang 1970, ist in Wien geboren und in der Welt zu Hause. Er lernte zunächst im elterlichen Betrieb, später bei Alain Chapel (Mionnay), einem der Wegbereiter der „Nouvelle Cuisine“, bei Anton Mosimann (London) und bei Joël Robuchon (Paris). Seit dem Frühjahr 2005 ist Küchenchef des Restaurants Steirereck. Hier im Wiener Stadtpark fährt er gastronomisch ein zweigleisiges Konzept: Im Erdgeschoss, in der „Meierei im Stadtpark“ bietet er eine unkomplizierte Bistro- Küche mit hohem Anspruch an die verwendeten Lebensmittel. Viel dreht sich in der Meierei (Molkerei) um das Thema Milch – mehr als eine Hommage an die frühere Funktion des Hauses, sondern eine Verbeugung vor der großen Tradition der Milchwirtschaft des ganzen Alpenraums und darüber hinaus.

Im ersten Stock zelebriert Heinz Reitbauer seine große Kochkunst. Diese lebt von der Wertschätzung der Produkte und dem respektvollem Umgang. Beste Lebensmittel und höchste Kochkunst kombiniert er zu einer der modernsten Küchen der gastronomischen Welt. Heinz Reitbauer ist einer der engagiertesten Vertreter einer neuen Generation von Spitzenköchen, die sich mit ihrer Arbeit gesellschaftlicher Verantwortung stellen. Als er das Steirereck übernahm, standen fünf Sorten Seefisch und ein Süßwasserfisch auf der Karte, heute verhält es sich umgekehrt. 

Für Reitbauers Arbeit sind authentische Produkte und Vielfalt Voraussetzung. Diese sieht er durch globale Tendenzen zur Vereinheitlichung massiv bedroht und engagiert sich für Biodiversität.. Für Reitbauer bedeuten Regulierungen wie die Saatgutverordnung der EU eine bedrohliche Reduzierung von Vielfalt: „Wir werden beraubt“, analysiert er ebenso klar wie knapp die Situation. Geradezu demütig ordnet er seine Arbeit in einen Gesamtkontext ein, wenn er sagt: „Nicht die Spitzengastronomie ist der Maßstab für die gastronomische Qualität eines Landes. Sondern die Produkte und die Wirtshäuser, die sie verarbeiten“.

LEBENSKULTUR

Mick Hucknall: „Food is life.“

 

Mit seiner Soulmusik als Frontmann von Simply Red hat Mick Hucknall, Jahrgang 1960, die Herzen seiner Fans berührt. Er ist ein großer Musiker, dazu ein Mensch, der Lebenskultur nicht nur schätzt und lebt, sondern sich auch in unterschiedlichen Projekten für Qualität und Nachhaltigkeit engagiert. In Manchester in einfachen Verhältnissen aufgewachsen, unterstützt er seit vielen Jahren die SOS-Kinderdörfer. Neben seiner Karriere eröffnete Hucknall 1998 gemeinsam mit den Schauspielern Johnny Depp, Sean Penn und John Malkovich in Paris das Man Ray – ein nach dem surrealistischen Multi-Künstler Man Ray benanntes Barrestaurant. Weitere Filialen folgten in New York und London.

Seit dem Jahr 2000 baut er am Ätna Wein an. Sein Weingut „Il Cantante“ („Der Sänger“) konzentriert sich auf lokale, traditionelle Rebsorten und seine Weine sind international anerkannt. Hucknall über sein Engagement: „Es ist der Versuch, Gemeinschaften zu stärken und das Ansehen bestimmter Regionen zu verbessern, damit sie wirtschaftlich interessanter werden und die Geschäftsleute dort hinkommen.“ In Sizilien ist ihm das zweifellos gelungen, denn Wein vom Ätna erlebt derzeit ein anhaltendes Hoch.

Auch am anderen Ende Europas ist Hucknall aktiv: Auf einem großen Anwesen, das am Fluss Finn im Norden der Republik Irland liegt, setzt er sich für den Erhalt der wilden Lachse ein, die im Oberlauf des Flusses laichen. Hucknalls Credo: „Es geht mir darum, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Es gibt so viele Menschen auf der Welt, die Hilfe brauchen, um einen Schritt weiter zu kommen. Ich helfe dabei, indem ich dafür Sorge trage, dass Dinge wachsen.“

KREATIVE VERANTWORTUNG UND GENUSS                                                

Jon Rose: „It’s all about access.“

Wasser wurde für Jon Rose schon als Kind zu seinem Element. In Laguna Beach (Kalifornien) aufgewachsen, schlug er mit 17 Jahren eine Karriere als Profi-Surfer ein und wurde zum Superstar auf den Wellenkämmen. 13 Jahre lang bereiste er als Sportler die Welt. Er liebte den Nervenkitzel und war stets auf der Suche nach der perfekten Welle.

Das Surfen führte ihn in weit entfernte Länder an entlegene Küsten. Schon damals fiel ihm auf: Diese Regionen haben eines gemeinsam, kein sauberes Wasser zum Trinken und zum Kochen. Für das Thema Trinkwasser war Rose schon durch seinen Vater Jack sensibilisiert worden: der Schreiner hatte für Afrika Auffangvorrichtungen für Regenwasser konstruiert.

„Sauberes Wasser für jeden, der es braucht“ – diese Mission von Jon Rose ist so einfach wie überzeugend. Nachdem er 2009 Augenzeuge der katastrophalen Not nach dem Erdbeben von Padang (Indonesien) wurde, widmet er sich mit aller Kraft dieser Idee. Jon Rose beschreibt die Situation: „Das Hauptproblem in der zerstörten Stadt war der Mangel an sauberem Wasser. Es gab nicht mal welches zum Reinigen von Wunden.

So kam es zur Gründung von „waves4water“.“ Der kreative Ansatz: Im Unterschied zu vielen Projekten entwickelte „waves4water“ kein eigenes Reinigungssystem, sondern verwendet einfache, günstige Filter, die in jedes Reisegepäck passen und so leicht verteilt werden können. „Die Idee ist nicht, eine Person 100 Filter in Gebiete transportieren zu lassen, in denen sauberes Wasser benötigt wird“, erklärt Rose, „sondern hunderte von Reisenden je zehn Filter verteilen zu lassen.“ ein modernes soziales Netzwerk mit inzwischen tausenden von Unterstützern, die kreative Verantwortung leben. So konnte mit dieser „humanitären Guerilla-Taktik“ (Rose) bereits vielen Opfern von Erdbeben und Tsunamis in Haiti, Japan, Pakistan und Brasilien sowie von Hurrikan Sandy schnell und nachhaltig geholfen werden.

Homepage von Jon Rose