Am Dienstag, den 21. Oktober 2015, war das BMW Museum Schauplatz der großen Gala zum Eckart Witzigmann Preis 2015. Der Jahrhundertkoch ehrte seinen Berufskollegen Massimo Bottura, die Gastronomenfamilie Troigros, den Vater der nordischen Küche, Claus Meyer sowie die deutsche Gastronomie der Gegenwart, repräsentiert durch drei herausragende Vertreter: Ulrike Thieltges, Klaus Erfort und Melanie Wagner.
Massimo Botturas individualistische Herangehensweise an die Kochkunst fasziniert und begeistert, irritiert und polarisiert aber auch – wie gute Kunst und starke Geschichten.
Bottura, 1962 in Modena geboren, eröffnet 1987 in seiner Geburtsstadt die „Trattoria del Campazzo“, mit der er auch die Aufmerksamkeit von Alain Ducasse auf sich zieht, bevor er 1992 nach New York geht. Dor lernt er seine spätere Ehefrau, die Kuratorin Lara Gilmore kennen. Sie gilt, neben der französischen Hochküche, als größter Einfluss für Botturas Kochkunst.
„Massimo Bottura erzählt Geschichten. Er sieht Bilder, hat einen bestimmten Geruch im Sinn, einen speziellen Geschmack oder er erinnert sich an eine Szene, während andere Spitzenköche eine Philosophie haben oder an ein System glauben“, schreibt die Jury des ECKART in ihrer Begründung. 1995 eröffnet Bottura in Modena die „Osteria La Francescana“, für die er 2002 den ersten, 2005 den zweiten Michelin- Stern erhält.
Tradition, moderne Kunst und höchste Qualität inspirieren ihn zu seinen kreativen und innovativen Gerichten. Die Jury: „Bottura pflegt eine zutiefst humanistische Küche auf höchstem Niveau. Sie kennt und schätzt die Tradition und verwandelt sie mit modernsten Methoden in ein poetisches Erlebnis, das alle Sinne berührt. Niemand verfolgt dieses Konzept so konsequent wie er.“ 2011 wird die Osteria Francescana mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet. Für eine Küche, die Bodenständigkeit und Avantgarde verbindet und mit Poesie, Kreativität und Witz die Küche der Emilia-Romagna auf allerhöchstem Niveau modernisiert.
ECKART 2015 für Große Kochkunst Familie Troigros: Die magische Gabe
Die Familie Troigros prägte und prägt die große Küche wie kaum jemand auf der Welt. Sie besitzt die magische Gabe Tradition von Generation zu Generation weiterzugeben, indem sie das Feuer schürt und nicht die Asche bewahrt.
Die Brüder Jean (geb. 1926) und Pierre Troisgros (geb. 1928), die beide in den besten Häusern von Paris gelernt hatten, machten das von ihren Eltern 1930 in Roanne eröffnete „Hotel Moderne“ als „Les Frères Troigros“ bekannt. 1955 wurde das Restaurant mit dem ersten, 1965 mit dem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet. Die Brüder Troigros gelten als führende Köpfe der „Nouvelle Cuisine“. Die Höchstbewertung mit drei Michelin-Sternen hält das Restaurant ununterbrochen seit dem Jahr 1968. Verankert in der Region pflegt die Familie eine moderne, saisonale und weltläufige Küche jenseits aller kurzlebigen Moden.
Pierres Troigros‘ Sohn Michel (geb. 1958) bereiste nach seiner Ausbildung in Grenoble mit seiner Frau Marie-Pierre die (kulinarische) Welt, bevor er nach Roanne zurückkehrte und neben seinem Onkel Jean am Herd stand, der 1983 verstarb. Seit dem Ruhestand seines Vaters Pierre im Jahr 1993, betreibt Michel das Haus der Familie zusammen mit seiner Frau. Sein Bruder Claude (geb. 1956) führt das Restaurant Troigros in Rio de Janeiro sowie weitere Unternehmen in den USA. Schwester Anne-Marie leitet das Restaurant Gravelier in Bordeaux. Die Kinder von Michel und Marie-Pierre Troigros, Marion (geb. 1983), César (geb. 1986) und Léo (geb. 1993), die vierte Generation absolviert derzeit ihre Ausbildung.
„Kompromisslos in der Qualität, innovativ in den Methoden und mit hohem Respekt vor dem Gast, vereint die Familie Troigros Fähigkeiten und Tugenden, die in dieser Verbindung einzigartig sind“, erklärt die Jury des ECKART.
ECKART 2015 für Lebenskultur
Säulen der neuen deutschen Gastronomie
Gastfreundschaft, Kochkunst und Weinkultur sind die Säulen, auf denen die deutsche Gastronomie der Gegenwart ruht. Der Preis geht deshalb stellvertretend an Ulrike Thieltges, Melanie Wagner und Klaus Erfort, die alle die besten Tugenden der neuen deutschen Gastronomie verkörpern.
Ulrike Thieltges: Seele der Gastfreundschaft
Herzliche Gastlichkeit mit höchstem Fingerspitzengefühl – so kann man das Wirken von Ulrike Thieltges beschreiben. Gemeinsam mit ihrem Mann Helmut hat sie das Waldhotel Sonnora in der Eifel zu einem Hort höchsten Genusses gemacht, das seit 1999 mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Sie ist noch mehr als eine kongeniale Gastgeberin, sie ist die Seele Hauses. Der Begriff Gastfreundschaft wird bei Ulrike Thieltges auf überragende Art und Weise zur Realität. Die besondere Lage des Hauses in der Eifeler Natur, die Gastfreundschaft und die Kochkunst verschaffen den Gästen ein großartiges Erlebnis, das in Erinnerung bleibt.
Klaus Erfort: Wahrheit auf dem Teller
Mit großer Leidenschaft verbindet Klaus Erfort (geb. 1972) traditionelle und moderne Elemente in perfekter Balance. Sein Gästehaus Erfort (Saarbrücken), das er im Jahr 2002 eröffnete wurde im Jahr 2008 mit dem dritten Michelinstern ausgezeichnet, zugleich kürte ihn der Restaurant-Guide Gault & Millau zum Koch des Jahres. „Die Wahrheit liegt auf dem Teller“, sagt Erfort, der für eine moderne, puristische Küche steht, die die Tradition weiter entwickelt und so ein Genusserlebnis von höchster Eleganz erzeugt.
Melanie Wagner: Anwältin der Weinkultur
Die professionelle Kompetenz von Melanie Wagner sucht ihresgleichen. Die Gastronomentochter absolvierte am Kaiserstuhl eine Winzerlehre, nach der sie in das Restaurant Schwarzer Adler zu Franz Keller ging – als Assistentin des Sommeliers. Seit 2005 berät Melanie Wagner als Chefsommelìere nicht nur Weinfreunde aus aller Welt bei der Wahl aus der legendären Weinkarte des Hauses, sondern sie verblüfft ihre Gäste oftmals mit Vorschlägen, die den kulinarischen Horizont erweitern. Dieses Wissen und ihre Fähigkeit, es ebenso charmant wie unaufgeregt zu vermitteln, machen Melanie Wagner zu einer höchst aufregenden wie anregenden Anwältin einer modernen Weinkultur.
ECKART 2015 für Kreative Verantwortung und Genuss Claus Meyer:
Armut mit Genuss bekämpfen
„Gutes Essen soll man teilen“ – das ist das Credo von Claus Meyer. Diesem Grundsatz folgend verändert Meyer die kulinarische Welt.
Der Mitbegründer des „noma“ in Kopenhagen wächst in einer Familie auf, in der Essen preiswert und schnell zu sein hat. „Mit 15 Jahren wog ich bereits 98 Kilo“ erinnert er sich. Eine völlig neue Einstellung zu Genuss, Ernährung, ja zum Leben insgesamt findet er als Teenager in Frankreich, bei einem Bäcker und Traiteur, der zu seinem zweiten Vater wird.
Mit 20 Jahren kehrt Meyer (geb. 1963) zurück nach Kopenhagen, mit keinem geringeren Ziel, als die Essenskultur in Dänemark zu verändern. Er studiert an der renommierten Kopenhagen Business-School, wo er inzwischen Professor ist, und gründet im Lauf der Jahre mehr als ein Dutzend Unternehmen wie Restaurants und Feinkostmanufakturen. Er engagiert sich zudem für bessere Verpflegung in Schulen und tritt als Fernsehkoch auf. Über 500 Mitarbeiter beschäftigt er im Jahr 2002.
Im Jahr 2003 eröffnet mit Küchenchef Réne Redzepi und weiteren Teilhabern das Restaurant noma – die Geburtsstunde der Nordic Cuisine. Neben einem Versuchslabor für eine neue, radikale Regionalküche ist das noma für Meyer eine Plattform für soziales Engagement. Die Mission: Das Ernährungsverständnis der Bevölkerung zu verändern.
Dieser Mission folgt Meyer auch mit weiteren Projekten. Allen voran mit seiner Stiftung „Melting Pot“, die Menschen hilft sich in der Gastronomie selbstständig zu machen und so Armut mit Genuss bekämpft. „Ob Dänemark, Bolivien oder demnächst die USA – Claus Meyer verbindet Verantwortung, Kreativität und Genuss in nie dagewesener Weise“, würdigt ihn die Jury des ECKART 2015 und er verbindet sie mit der Vision: „Essen hat das Potenzial, Menschen auf eine höhere Ebene zu bringen.“